Der Sonderfall des § 826 BGB hat sich im Abgasskandal zum Regelfall entwickelt. Urteile wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB waren noch vor dem Dieselskandal selten. Mittlerweile wird VW wie am Fließband von nahezu allen Landgerichten wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadensersatz verurteilt. Dies hat nunmehr auch Daimler AG zu befürchten.
So entschied das Landgericht Stuttgart wegen des Einbaus unzulässiger Abschalteinrichtungen mit Urteilen vom 17.01.2019 (Az.: 23 O 178/18 und 23 O 172/18) und 09.05.2019 (Az.: 23 O 220/18), dass die Daimler AG den Mercedes-Käufern den Kaufpreis abzüglich des Nutzungsvorteiles zurückzahlen muss. Betroffen waren die folgenden Dieselmodelle:
- Mercedes E 250 CDI BlueEFFICIENCY, Baujahr 2011, EURO 5 (Motor OM 651)
- Mercedes C 250d, BlueTEC, Baujahr 2015, EURO 6 (Motor OM 651)
- Mercedes ML 250 Bluetec 4Matic, EURO 6 (Motor OM 651)
Die ersten beiden Dieselfahrzeuge waren nicht von einem amtlichen Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt (KBA) betroffen. Ein Rückruf wurde auch vom KBA bislang noch nicht in die Wege geleitet. Von Daimler wird lediglich Software-Update im Rahmen einer freiwilligen Rückrufaktion angeboten. Der Mercedes ML 250 Bluetec 4Matic, EURO 6 (Motor OM 651) war dagegen vom Rückruf des KBA im Zuge des Abgasskandals betroffen.
Das Landgericht Stuttgart schenkte in allen Fällen den offensichtlichen Schutzbehauptungen von Daimler keinen Glauben und verurteilte Daimler zum Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Täuschung.
Das Gericht sah eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters. Zur Reduktion des Stickoxidausstoßes (NOx) wird hier bei niedrigen Außentemperaturen die Abgasrückführung reduziert. Die Richter stellten klar, dass der Hersteller die (sekundäre) Darlegungslast dafür trägt, dass eine solche Abschalteinrichtung – angeblich – ausnahmsweise nach Art, 5 Abs. 2 lit a) EG VO 715/2007 zum Motorschutz zulässig sei.
Die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens des Autoherstellers begründete das Landgericht Stuttgart mit harschen, aber in der Sache auch absolut gerechtfertigten Worten:
„[…] Die Beweggründe der Beklagten (Anm.: Daimler AG) zur Vornahme der Manipulationen am Motor bzw. der Systeme der Abgassteuerung und Reinigung und der entsprechenden Täuschungen darüber waren entweder die Erzielung eines höheren Gewinns durch die Ersparnis von weiteren Entwicklungskosten oder aber die Unfähigkeit der Entwickler der Motoren, zu marktgerechten Preisen einen Motor zu entwickeln, der über keine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters verfügt. Die Beklagte nutzte bei ihrer Täuschung aus, dass der Endverbraucher darauf vertraut, dass ein Fahrzeug, das von einem Hersteller für den Verkauf freigegeben wurde, die Zulassungsprüfungen ordnungsgemäß durchlaufen hat und dementsprechend die gesetzlich vorgegebenen Bestimmungen erfüllt.
Insoweit ist in diesem Rahmen zu berücksichtigen, dass die Beklagte in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufwand zentrale Zulassungsvorschriften ausgehebelt und zugleich ihre Kunden konkludent getäuscht hat. Sie hat dabei nicht nur die Vorschriften des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 außer Acht gelassen, sondern mit der vorgenommenen Manipulation durch den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung für alle davon betroffenen Fahrzeuge zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden einerseits sowie nachfolgend nach dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge gegenüber den Verbrauchern andererseits geschaffen. Es lag also eine bewusste Täuschung der Aufsichtsbehörden einerseits und der Verbraucher andererseits vor, um die entsprechende Typengenehmigungen für die Fahrzeuge zu erhalten und diese dann so in Verkehr bringen zu können, um dadurch entsprechende Vertragsschlüsse der Händler mit Kunden herbeiführen zu können.
Dabei ist die Beklagte bewusst verschleiernd und durch einen offensichtlich nur begrenzt einbezogenen Personenkreis vorgegangen, um diese Manipulation geheim zu halten, zumal diese Manipulation auch nur äußerst schwer zu entdecken war und so im normalen Verkehr mangels erkennbarer Auswirkungen eigentlich nicht aufgefallen wäre. Die Manipulation ist auf dem Prüfstand bei gleichbleibender Umgebungstemperatur nicht zu erkennen.
Die Täuschung diente, andere Motive sind jedenfalls nicht ersichtlich, allein dem Zweck, zur Kostensenkung und […] mit Hilfe diese Manipulation umweltfreundliche Prüfvermerke veröffentlichen zu können, um dadurch entsprechende Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Schon dieses Gewinnstreben um den Preis einer bewussten Täuschung und Benachteiligung von Behörden einerseits und Kunden andererseits gibt dem Handeln der Beklagten ein Gepräge der Sittenwidrigkeit. Ein solches […] täuschendes Verhalten ist […] als sittenwidrig anzusehen und verwerflich, da die Beklagte eben nicht nur die Aufsichts- und Prüfbehörden getäuscht, sondern durch ihr täuschendes Verhalten bei dem weiteren Inverkehrbringen der Fahrzeuge auch die Ahnungslosigkeit der unzähligen Verbraucher bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt hat.
Auch die subjektiven Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte sind zu bejahen. Die Beklagte hat den Kläger vorsätzlich geschädigt. […] der Vorstand der Beklagten hat eine Schädigung der Vermögensinteressen der Käufer zumindest billigend in Kauf genommen. Bei dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung kam es der Beklagten bzw. ihrem Vorstand darauf an, Umsatz und Gewinn zu steigern. Andere Gründe sind nicht ersichtlich. […]“
Die Käufer konnten also ihren Diesel zurückgeben und erhielten den Kaufpreis für das Auto abzüglich einer Nutzungsentschädigung zurück.
Da die Daimler AG ihren Sitz in Stuttgart hat, also das Landgericht Stuttgart sozusagen das „Heimgericht“ von Daimler ist, ist mit weiteren zahlreichen Entscheidungen zugunsten von Mercedesfahrern im Abgasskandal zu rechnen.
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