Eine echte Sammelklage für geschädigte Dieselkäufer im Abgasskandal wie in den USA existiert in Deutschland nicht. Der Vorteil bei der US-Sammelklage ist, dass das Kostenrisiko der Klage auf viele Schultern verteilt wird, wodurch das Klagerisiko für den einzelnen Kläger sinkt. Zeitlich kann die US-Sammelklage ähnlich schnell zu einem Erfolg für die Kläger führen so wie eine Individualklage auch.
Statt diese Vorteile der US-Sammelklage auch betroffenen Dieselkäufern in Deutschland zugute kommen zu lassen, hat der deutsche Gesetzgeber sich anlässlich des Abgasskandals für die Einführung des Klageinstruments der Musterfeststellungsklage zum 01.11.2018 entschieden, die für den Verbraucher bei weitem nicht die Vorteile einer echten Sammelklage bietet.
Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG
Noch in der Nacht zum 1. November reichten der vzbv (Verbraucherzentrale Bundesverband) mit dem ADAC Klage gegen die Volkswagen AG (VW) beim Oberlandesgericht Braunschweig ein. Umfasst sind Fahrzeuge der Marken Volkswagen, Audi, Skoda und Seat mit Dieselmotoren des Typs EA189. Mit der Klage soll festgestellt werden, dass Volkswagen die Käufer vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat und deshalb grundsätzlich Schadensersatz schuldet. Seit dem 27.11.2018 können betroffene Dieselkäufer ihre Ansprüche oder Rechtsverhältnisse, die von den Feststellungszielen abhängen, zur Eintragung in das Klageregister anmelden. Die Anmeldung erfolgt ausschließlich beim Bundesamt für Justiz. Anmeldungen sind bis zum letzten Tag vor dem ersten Termin vor dem Oberlandesgericht Braunschweig möglich. Bislang haben sich über 400.000 Dieselkäufer der Musterfeststellungsklage gegen VW angeschlossen. Der Eintrag ist kostenfrei und es besteht keine Anwaltspflicht. Wer sich registrieren lässt, verliert damit allerdings das Recht zur eigenen Klage. Er ist dann an die Prozessführung durch die Verbraucherschutzzentrale und den ADAC gebunden, ohne selbst Einfluss nehmen zu können. Die Anmeldung zum Klageregister kann jedoch bis zum Ablauf des Tages des Beginns der mündlichen Verhandlung zurückgenommen werden. Das Oberlandesgericht Braunschweig hat den ersten Termin für eine mündliche Verhandlung in Sachen Klage gegen die Volkswagen AG festgelegt. Die Verhandlung findet am 30. September 2019 in der Stadthalle Braunschweig statt.
Ziel der Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG
Ziel der Klage ist die Feststellung, dass Volkswagen Käufer vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat und daher Schadensersatz schuldet. An der Musterfeststellungsklage können sich Käufer von Fahrzeugen der Marken Volkswagen, Audi, Seat, Skoda mit einem Dieselmotor des Typs VW EA189 (Vierzylinder, Hubraum: 1,2; 1,6 oder 2,0 Liter) anschließen, für die durch das Kraftfahrbundesamt und andere europäische Genehmigungsbehörden ein Rückruf ausgesprochen wurde.
Die betroffenen Käufer wurden von den Autoherstellern und leider auch vom Kraftfahrbundesamt allein gelassen. 99 % (!) der betroffenen Autokäufer verfolgen nicht ihre Rechte. Die Autohersteller verfolgen – wohlwissend um die Sorge der Käufer über das Prozesskostenrisiko eine einfache und sehr effektive Strategie: Wer nicht klagt, kriegt nichts. Die Musterfeststellungsklage soll vor allem nicht rechtsschutzversicherten Käufern helfen, ihre Ansprüche gegen VW mit weniger Risiko auf dem Rechtsweg durchzusetzen.
Die Musterfeststellungsklage entlastet die betroffenen Dieselkunden von einem Großteil des Gerichtsverfahrens sowie von dem damit verbundenen Aufwand und den Kostenrisiken. Das Prozesskostenrisiko tragen allein der vzbv und der ADAC. In dieser Klage wird verbindlich festgestellt, ob VW den Verbrauchern aufgrund der Abgasmanipulation Schadensersatz schuldet. Wenn das Verfahren beendet ist, ist das Ergebnis für alle angemeldeten Verbraucher verbindlich, so als hätten sie selbst geklagt. Das Urteil bindet darüber hinaus alle (deutschen) Gerichte, die in einem möglichen Anschlussverfahren über den Schadensersatz im konkreten Einzelfall entscheiden.
Einzelklage wird weiterhin notwendig bleiben
Die Durchsetzung der individuellen Rechte des einzelnen Dieselkäufers muss jedoch weiterhin in einer individuellen Klage geltend gemacht werden, welche nach einem möglichen positiven Ausgang der Musterfeststellungsklage erfolgen muss.
Zeitliche Nachteile der Musterfeststellungsklage
Der vzbv rechnet damit, dass sich das Musterklageverfahren bis 2022 hinzieht. Anschließend muss der einzelne Dieselkäufer immer noch seinen eigenen Prozess vor Gericht führen.
Solange können und wollen jedoch viele Autofahrer nicht warten. In dieser Zeit verliert das eigene Dieselfahrzeug jedes Jahr enorm an Wert. Falls eine Nutzungsentschädigung anfallen sollte, so wäre der finanzielle Vorteil dahin, wenn der Kläger sein Auto bis zum Urteil weiterfährt. Die Musterfeststellungsklage ist im Ergebnis ein langwieriger überflüssiger Zwischenschritt und daher nicht zielführend.
Angedrohte Stilllegungen der betroffenen Fahrzeuge und die bis dahin zunehmenden Diesel-Fahrverbote in vielen deutschen Städten dulden zudem keinen Aufschub.
Es ist auch davon auszugehen, dass die Volkswagen AG weiter an ihre Strategie „Wer nicht klagt, kriegt nichts“ festhalten wird. Das Prozesskostenrisiko wird damit nur auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.
VW hat jedoch keinen Grund, sich in Musterverfahren auf einen Vergleich einzulassen, der für Folgeverfahren Bindungswirkung hätte. Ganz im Gegenteil: Es ist vielmehr zu erwarten, dass Musterfälle sich über viele Jahre hinziehen. Es dürfte somit zu einer Verschleppung derartiger Verfahren über alle Instanzen über viele Jahre hinweg kommen.
Einzelklage effektivster und schnellster Rechtsschutz
Die Verbraucherzentrale Bundesverband empfiehlt daher auch allen betroffenen Dieselkäufern, die rechtsschutzversichert sind, nicht auf die langwierige Musterfeststellungsklage zu warten, sondern unmittelbar selbst zu klagen. Die für den Individualprozess anfallenden Gerichts- und Anwaltskosten werden in den meisten Fällen von einer bestehenden Verkehrsrechtsschutzversicherung übernommen.
Die Einzelklage mit Rechtschutzdeckung ist im Dieselskandal also die schnellste, günstigste und erfolgversprechendste Variante für geschädigte Dieselkäufer in Deutschland zu ihrem Recht zu kommen.
Aber auch für betroffene Dieselkäufer ohne Rechtsschutzversicherung ist die Einzelklage die zeitlich sinnvollste und effektivste Durchsetzung der individuellen Interessen.
Mittlerweile werden die Autohersteller von den meisten Landgerichten wie am Fließband zum Schadensersatz verurteilt. Die Gerichte schenken den Schutzbehauptungen der Hersteller keinen Glauben mehr. Mit teilweise harschen Worten fertigen die Landgerichte VW & Co. ab.
Nutzen Sie diese Chance und lassen Sie nicht unnötig Zeit verstreichen.
Sollten Sie sich bereits der Musterfeststellungsklage angeschlossen haben, haben Sie noch bis zu Beginn des Verfahrens am 30. September 2019, sich wieder abzumelden und selbst Klage einzureichen. Gerne unterstützen wir Sie bei der Abmeldung und der Geltendmachung Ihrer Ansprüche.