Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat am Montag, den 15.04.2019, gegen den ehemaligen VW-Vorstandschef Martin Winterkorn Anklage erhoben. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig wirft Winterkorn einen besonders schweren Fall des Betrugs, einen Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb sowie Untreue, vor.
Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft hat Winterkorn es unterlassen, nach Kenntnis der rechtswidrigen Manipulationen an Dieselmotoren die Behörden in den USA und Europa zu informieren und seine Kunden über den Betrug in Kenntnis zu setzen. Als Motiv führen die Ermittler Habgier an. Winterkorn und die vier Mitbeschuldigten hätten die Verkaufszahlen von VW steigern wollen und damit auch ihre Bonuszahlungen. Nach Angaben der Strafverfolger drohen den Beschuldigten bis zu zehn Jahre Haft.
VW hatte lange Zeit behauptet, der Vorstand sei von den Abgasmanipulationen völlig überrascht worden. Keiner der obersten Topmanager hätte etwas von den illegalen Abschalteinrichtungen gewusst, die dafür sorgten, dass Millionen von VW-, Audi- und Porsche-Fahrzeugen nur auf dem Prüfstand sauber waren, im Realbetrieb auf der Straße jedoch ein Vielfaches der zulässigen Stickoxidwerte ausstießen. Der ehemalige VW-Vorstandsvorsitzende hat im Abgasuntersuchungsausschuss des Bundestages behauptet, er habe zum Bekanntwerden des Dieselskandals im Herbst 2015 von illegalen Abgas-Manipulationen an den Dieselmotoren nichts erfahren.
Dabei war der ehemalige VW-Vorstandschef für seinen Perfektionismus bekannt, der als Topmanager jede wichtige Entscheidung selbst trifft und bestens informiert ist. Mit einem sogenannten Fugenrad maß Winterkorn sogar nach, ob die Spalte zwischen Tür und Rahmen nicht größer als 3,5 Millimeter war. Mit einem Lackmessstift prüfte Winterkorn, ob die Farbschicht auf der Karosserie nicht dicker als 120 µ war. Ein µ ist ein Tausendstel Millimeter. Kann es wirklich sein, dass bei einer derartigen Detailversessenheit Winterkorn von den Manipulationen nichts gewusst haben soll und der Dieselskandal nur das Werk einer kleinen Gruppe von Motorenspezialisten gewesen sein soll?
Der VW-Konzern hält weiter an seiner Theorie fest, dass der Vorstand von den Manipulationen völlig überrascht worden sei. Es ist mehr als fraglich, ob VW damit durchkommt.
Die Anklage der Staatsanwaltschaft Braunschweig stärkt die Position von betroffenen Dieselkäufern bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen VW immens. Die meisten Landgerichte schenken der Behauptung der Einzeltäter-Legende ohnehin keinen Glauben mehr.